Mit einer Kombination aus mehreren Computermodellen und vorhandenen Beobachtungen konnten Ozeanographen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt erstmals das Verhalten des Agulhasstroms seit 1870 rekonstruieren. Die Studie erscheint in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications.
Wie ein globales Förderband transportieren die großen Meeresströmungen Wärmeenergie durch alle Weltozeane. Ein Teil dieser Zirkulation, das Golfstromsystem, sorgt beispielsweise für ein mildes Klima in Nordeuropa. Doch im Detail betrachtet ist das Förderband kein gleichmäßig arbeitendes System. Es besteht vielmehr aus vielen Einzelkomponenten, die ständigen Schwankungen unterworfen sind und auf ganz unterschiedliche Weise zusammenhängen. Eine der Schlüsselstellen ist dabei die Südspitze Afrikas, wo der Agulhasstrom aus dem Indischen Ozean auf den Atlantischen Ozean trifft. Ozeanographen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel konnten jetzt zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus den USA und Großbritannien erstmals das Verhalten dieses Stromsystems seit 1870 rekonstruieren. „Solche Langzeitstudien sind wichtig, um von Menschen verursachte Änderungen der Meeresströmungen von natürlichen Schwankungen unterscheiden zu können“, sagt Prof. Dr. Arne Biastoch vom GEOMAR. Er ist Erstautor der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications erscheint.
Der Agulhasstrom ist eine der weltweit stärksten Meeresströmungen. Er transportiert bis zu 70 Millionen Kubikmeter warmes, salzhaltiges Wasser pro Sekunde entlang der südafrikanischen Küste im Indischen Ozean nach Süden. „Das ist eine gewaltige Menge. Zum Vergleich: Alle Flüsse der Erde zusammen transportieren nur eine Million Kubikmeter Wasser pro Sekunde“, erklärt Professor Biastoch. Südlich von Afrika knickt die Strömung dann abrupt ab und ändert ihre Richtung wieder in den Indischen Ozean. Ein Teil der Wassermassen wird dabei allerdings vom Hauptstrom getrennt, bildet riesige Wirbel und driftet westwärts in den Atlantik. „Wir nennen diese Wirbel Agulhasringe oder auch ‚Agulhas leakage‘. Die Wirbel haben Durchmesser von bis zu 200 Kilometern und reichen bis in über 1000 m Tiefe. Schon in früheren Studien konnten wir zeigen, dass sie eine wichtige Quelle von warmem, salzhaltigem Wasser für den Atlantik sind“, erklärt der Ozeanograph.
Da das Agulhasstromsystem ohnehin sehr dynamisch ist und die Wirbel nicht permanent auftreten, ist eine Vermessung vor Ort äußerst schwierig. „Lange Zeitreihen von Messdaten gibt es weder aus dem Agulhasstrom noch von den Agulhasringen“, so Dr. Jonathan Durgadoo, Ko-Autor der Studie. Um trotzdem einen Blick in die Geschichte des Agulhasstroms und seiner Ringe werfen zu können, haben die beteiligten Experten jetzt Simulationen des Ozeans und der Atmosphäre aus mehreren Computermodellen mit vorhandenen Messwerten kombiniert. Ozeanograph Durgadoo ergänzt: „Am besten sind die Temperaturen an der Wasseroberfläche dokumentiert. Sie werden schon seit dem 19. Jahrhundert gemessen – zunächst mit gefierten Eimern von Schiffen aus, heutzutage mit Satelliten“. Für die Computersimulationen griff das Team auf hochauflösende Modelle zurück. „Der Rechenaufwand dieser modernen Modelle ist so hoch, dass sogar die derzeit leistungsstärksten Supercomputer, darunter Rechner in Kiel und Stuttgart, mehrere Monate beschäftigt waren“, sagt Dr. Durgadoo.
Alle Modelle zeigten ein ähnliches Verhältnis zwischen den Oberflächentemperaturen und der Menge des warmen Wassers, das mit den Agulhasringen in den Atlantik gelangt. Die lange Rekonstruktion zeigte ferner, dass der Wassermassentransport in den Atlantik auch von den Windsystemen über dem südlichen Ozean beeinflusst wird. „Aus anderen Studien wissen wir bereits, dass sich diese Systeme im Verlauf des Klimawandels ändern könnten. Das hätte dann Einfluss auf die Versorgung des Atlantiks mit warmem, salzhaltigem Wasser, und letztendlich auch auf das Golfstromsystem“, betont Arne Biastoch. Zukünftige Studien müssen zeigen, welchen Einfluss diese Schwankungen auf die Stärke des globalen Förderbands haben können. „Das ist eine Rechenaufgabe, die wir wieder nur mit Hilfe von Supercomputern lösen können“, sagt Professor Biastoch.
Originalarbeit:
Biastoch, A., J. V. Durgadoo, A. K. Morrison, E van Sebille, W. Weijer, S. M. Griffies (2015): Atlantic Multi-decadal Oscillation covaries with Agulhas leakage. Nature Communications, https://dx.doi.org/10.1038/ncomms10082
Kontakt:
Dr. Andreas Villwock (GEOMAR, Kommunikation & Medien),
Tel.: 0431 600-2802
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