23. August 2018 Neue Quallenart im Nord-Ostsee-Kanal

Ein Exemplar der Art Blackfordia virginica. Foto: Cornelia Jaspers/GEOMAR

Weitere Ausbreitung von Blackfordia virginica in die Ostsee ist wahrscheinlich

Eine neue Quallenart hat sich im Nord-Ostsee-Kanal etabliert. Die Brackwasser-liebende Blackfordia virginica ist seit Sommer 2016 ein neuer Spieler im dortigen Ökosystem. Das ergab die Auswertung von regelmäßigen biologischen Monitoring-Fahrten der vergangenen zehn Jahre, die Forschende des GEOMAR-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Technischen Universität Dänemark und der Universität Kiel jetzt veröffentlich haben.

 

Globale Studien zeigen, dass die Zahl der Arten, die in fremde Ökosysteme einwandern, ständig zunimmt. Zwar können sich bei weitem nicht alle Spezies in den neuen Umgebungen etablieren. Doch die erfolgreichen Bio-Invasoren haben das Potenzial, betroffene Ökosysteme stark zu verändern. Auch in der Ostsee konnten in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche bislang fremde Arten nachgewiesen werden. Ein prominentes Beispiel ist die amerikanische Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, auch Meerwalnuss genannt.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Technischen Universität Dänemark (DTU Aqua) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben jetzt bei der Auswertung von regelmäßigen Monitoringfahrten im Nord-Ostsee-Kanal und in der Ostsee eine weitere, für diese Region neue Quallenart entdeckt. Ihr fachlicher Name lautet Blackfordia virginica.

„Unsere Langzeit-Daten zeigen, dass diese Quallen-Art seit dem Sommer 2016 im Nord-Ostsee-Kanal etabliert ist und sich aktiv vermehrt, also einen neuen Bestandteil des Ökosystems bildet", sagt Dr. Cornelia Jaspers, die als Biologische Ozeanographin am GEOMAR und am Nationalen Institut für Aquatische Ressourcen der DTU in Lyngby arbeitet.

Die Art Blackfordia virginica wurde 1904 erstmals in den Gewässern vor dem US-Bundesstaat Virginia wissenschaftlich beschrieben. Spätere Studien lassen aber vermuten, dass sie ursprünglich aus dem Schwarzen Meer stammt. „Mittlerweile findet sie sich aber auch in Indien, Südamerika und Südafrika. Seit den 1970er Jahren kommt sie in Brackwassergebieten Nord-Frankreichs und seit den 1980er Jahren auch in Portugal vor", erklärt Dr. Jaspers. „Wir haben es also mit einer Art zu tun, die auf eine lange Erfolgsgeschichte als Eroberer fremder Ökosysteme zurückblicken und dort sehr große Populationsdichten erreichen kann".

Wie die Quallen in den Nord-Ostsee-Kanal gelangt sind, ist nicht genau nachweisbar. Da der Kanal die am stärksten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist, haben höchstwahrscheinlich Schiffe die Quallen eingeschleppt. Ballastwasser darf im Kanal allerdings nicht abgepumpt werden. „Deshalb sind die Quallen wohl über Quallenpolypen an Schiffsrümpfen, die Jungquallen, sogenannte Ephyren, ins Wasser abgegeben haben, hier angekommen", sagt Dr. Jaspers.

Auch außerhalb des Kanals, in der Kieler Förde, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits Exemplare nachweisen. Dort gibt es bislang aber keine Belege, dass sich die Art aktiv vermehrt. „Im Rahmen unserer Studie haben wir jedoch gezeigt, dass die Ostsee als Brackwassergebiet einen geradezu idealen Lebensraum für Blackfordia virginica darstellt. Wir erwarten deshalb eine weitere Ausbreitung", sagt Dr. Jaspers.

Welche Folgen das für die Ostsee haben könnte, ist noch unklar. Aus anderen Regionen ist bekannt, dass Blackfordia virginica eine erhebliche Konkurrenz zu anderen Planktonfressern darstellt. Außerdem kann sie den Nachwuchs von Fischarten beeinträchtigen, weil sie deren Larven frisst. Das könnte letztendlich auch wirtschaftliche Folgen haben.

Unterstützt wurde die Untersuchung von Studierenden des Kieler Master-Studiengangs „Biological Oceanography", die während ihrer Ausbildungs-Seereise mit dem Forschungsschiff ALKOR im August 2017 mehrere tausend Kubikmeter Wasser von Flensburg bis nach Finnland durchfischt und inspiziert haben.

„Insgesamt zeigt die Entdeckung, wie wichtig regelmäßiges Monitoring der Artenzusammensetzung in küstennahen Gewässern ist, da diese Gebiete besonders starken anthropogenen Einflüssen ausgesetzten sind. Besonders das gelatinöse Plankton, also Quallen, müssen wir dabei noch stärker als bisher berücksichtigen", betont Dr. Jaspers.

Originalarbeit:
Jaspers, C., B. Huwer, N. Weiland-Bräuer, C. Clemmesen (2018): First record of the non-indigenous jellyfish Blackfordia virginica (Mayer, 1910) in the Baltic Sea. Helgoland Marine Research
https://doi.org/10.1186/s10152-018-0513-7

Links:
www.aqua.dtu.dk Das National Institut für Aquatische Ressourcen der DTU
www.uni-kiel.de Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
www.metaorganism-research.com Der Sonderforschungsbereich 1182 „Metaorganism" in Kiel

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