12. Mai 2019 Seetang kann Freunde anlocken und Feinde abwehren



Großalgen manipulieren ihr Mikrobiom zur Gesundheitsförderung

Die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft, die in oder an einem größeren Organismus lebt, spielt eine wichtige Rolle für dessen Gesundheit. Der Mensch und seine Darmflora sind dafür ein gutes Beispiel. Einer Biologin des Plymouth Marine Laboratory (UK) und einem Biologen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ist jetzt erstmals bei einer Großalge der Nachweis gelungen, dass sie mittels chemischer Stoffe auf ihrer Oberfläche gezielt Mikroben ansiedelt, die sie gegen Krankheiten schützen. Die Studie ist jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Ecology erschienen.

 

Welche Mikroben im Darm oder auf der Haut eines Menschen leben, kann dessen Gesundheit erheblich beeinflussen. Diese Erkenntnis der Humanbiologie und Medizin ist mittlerweile auch außerhalb der Wissenschaft weit verbreitet. Genauso wie für den Menschen spielt die Zusammensetzung der Mikroorganismengemeinschaft im eigenen Körper, das sogenannte Mikrobiom, auch für andere Tiere und für Pflanzen eine große Rolle. Speziell bei Großalgen, auch als Seetang bekannt, sind aber die Mechanismen, die die mikrobielle Besiedelung steuern, noch weitgehend unbekannt.

Dr. Mahasweta Saha vom Plymouth Marine Laboratory, Großbritannien, und Dr. Florian Weinberger vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konnten jetzt nachweisen, dass die Rotalge Agarophyton vermiculophyllum mit Hilfe chemischer Botenstoffe gezielt die Ansiedlung von Mikroben auf ihrer Oberfläche fördert, die sie so vor Krankheitserregern schützen. „Das ist der erste empirische Beleg für diese Fähigkeit bei einer Großalge", sagt Dr. Saha. Sie ist die Erstautorin der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Ecology erschienen ist.

Bei Landpflanzen war die gezielte Beeinflussung des Mikrobioms mittels chemischer Stoffe zur Krankheitsabwehr bereits nachgewiesen worden. Bekannt war auch, dass Seetang-Arten wie der Blasentang Fucus vesiculosus die Zusammensetzung des Mikrobioms auf ihrer Oberfläche steuern können. Allerdings war die Funktion der so kultivierten Mikroben nicht bekannt.

Für ihre Studie führten Dr. Saha und Dr. Weinberger am GEOMAR in Kiel und im Rahmen des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft" eine Reihe komplexer Untersuchungen mit der Rotalge Agarophyton vermiculophyllum durch. Diese kommt ursprünglich in Ostasien vor, hat mittlerweile aber viele Küsten der Nordhalbkugel als Lebensraum erobert. Für ihre Versuchsreihe nutzten die beiden Biologen Algen-Exemplare aus Korea und von der deutschen Nordseeküste.

Zunächst isolierten und identifizierten sie Mikroben von der Oberfläche des Tangs sowohl bei Exemplaren aus Korea als auch bei invasiven. Dann unterschieden sie diejenigen Mikrobenstämme, die Krankheiten wie die Blattspitzenbleiche beim Agarophyton vermiculophyllum auslösen können, von anderen Stämmen, die Schutz gegen diese Krankheitserreger bieten.

In einem letzten Schritt untersuchten sie den Zusammenhang zwischen chemischen Stoffen auf der Oberfläche des Tangs mit der Zusammensetzung des Mikrobioms. „Es zeigte sich klar, dass einige Stoffe, die die Rotalgen absonderten, die schützenden Mikrobenstämme förderten und die pathogenen unterdrückten", erklärt Dr. Saha.

„Auch wenn dies der erste Nachweis für diese Fähigkeit bei einem Seetang ist, deutet viel darauf hin, dass andere Arten sie ebenfalls besitzen", betont Dr. Weinberger. Seetang ist in vielen Küstenökosystemen wichtig als Wasserfilter, Kohlenstoffspeicher und als Brutstätte für andere Organismen. Außerdem haben einige Arten eine wachsende Bedeutung in der Aquakultur. „Wenn wir die natürlichen Krankheitsabwehr-Mechanismen von Seetang besser verstehen, lassen sich natürliche Bestände und Aquakulturen nachhaltiger schützen", fasst Dr. Saha zusammen.

Originalarbeit:
Saha, M., F. Weinberger (2019): Microbial 'gardening' by a seaweed holobiont: Surface metabolites attract protective and deter pathogenic epibacterial. Journal of Ecology
https://doi.org/10.1111/1365-2745.13193

Links:
www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

www.pml.ac.uk Das Plymouth Marine Laboratory

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