25. Juni 2019 Der Ozean in 4000 Jahren: warm und trotzdem sauerstoffreich



Modellrechnung zeigt bisher unbeachtete Wechselwirkung des Stickstoffkreislaufs

Je höher die Temperatur, desto weniger Gase sind im Wasser gelöst – dieser einfache physikalische Zusammenhang erklärt unter anderem den messbaren Sauerstoffverlust in den wärmer werdenden Ozeanen. In der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel heute allerdings eine Modellrechnung, nach der ein wärmerer Ozean nach Jahrhunderten des Verlusts in 4000 Jahren sogar mehr Sauerstoff als heute enthalten wird. 

 

Die Studie erklärt Ungereimtheiten im Sauerstoffbudget bisheriger Simulationen, wirft gleichzeitig aber neue Fragen auf.

Die Ozeane verlieren Sauerstoff. Das haben zahlreiche, auf direkten Messungen beruhende Studien der vergangenen Jahre gezeigt. Da Wasser bei steigenden Temperaturen weniger Gase lösen kann, waren diese Ergebnisse nicht überraschend. Neben der globalen Erwärmung fördern zudem Faktoren wie die Überdüngung der Küstenmeere den Sauerstoffverlust. Doch wie sieht die Zukunft aus? Werden die Ozeane bei weiterer Erderwärmung irgendwann komplett sauerstoffarm? Solche anoxischen Phasen gab es in der Erdgeschichte tatsächlich schon mehrere Male, verbunden mit großen Massenaussterbe-Ereignissen. Auch sie gingen mit hohen Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre und hohen globalen Temperaturen einher.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel veröffentlichen heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications Modellrechnungen zur Entwicklung des Sauerstoffgehalts der Ozeane bis ins Jahr 8000. Sie gehen in ihrem Szenario davon aus, dass ein großer Teil der fossilen Reserven verbrannt wird, die Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts weiter ansteigen und anschließend bis zum Jahr 2300 auf null abnehmen. Im Modell erwärmt sich der Planet dabei um weitere 6 Grad, und Temperaturen bleiben bis zum Ende der Simulation auf diesem hohen Niveau.

Das überraschende Ergebnis betrifft den Sauerstoffgehalt des Ozeans: Nach einer weiteren Abnahme über mehrere hundert Jahre steigt das Sauerstoffinventar des Ozeans wieder an und erreicht in knapp 4000 Jahren sogar ein höheres Niveau als vor der Industrialisierung. Auf den ersten Blick paradox erscheint, dass das Modell trotz der unerwarteten Sauerstoffzunahme bei steigenden globalen Temperaturen eine deutliche Ausdehnung und stärkere Ausprägung der heute schon vorhandenen Sauerstoffminimumzonen in den Weltmeeren zeigt.

Aus Untersuchungen des Kieler Sonderforschungsbereich 754 ist bekannt, dass solche sauerstoffarmen Gebiete zwar Todeszonen für größere Organismen wie Fische oder Kopffüßer sind. Bestimmte Bakterien, die statt Sauerstoff Nitrat atmen, gedeihen dort aber sehr gut. „Sie ziehen ihre Energie aus einem chemischen Prozess, den wir Denitrifizierung nennen. Er ist ein wichtiger Bestandteil des Stickstoffkreislaufs, führt aber dazu, dass bei der Veratmung von organischem Material weniger Sauerstoff verbraucht wird, als bei der Photosynthese produziert wurde", erklärt Professor Oschlies.

In der neuen Modellrechnung haben die Forscherinnen und Forscher erstmals konsequent den Sauerstoffkreislauf mit dem Stickstoffkreislauf gekoppelt. Dabei zeigte sich, dass aufgrund der ausgedehnten Sauerstoffminimumzonen immer mehr organisches Material nicht mehr wie bisher mit Sauerstoff sondern durch Denitrifizierung mit Nitrat veratmet wird. Die damit verbundene Sauerstoff-Einsparung überstieg nach mehreren tausend Jahren den erwärmungsbedingten Sauerstoffverlust der Ozeane. „Allerdings kann man nicht von einer flächendeckenden Erholung sprechen, denn die weit ausgedehnten Sauerstoffminimumzonen nahe der Meeresoberfläche bleiben im Modell erhalten. Ein großer Teil des zusätzlichen Sauerstoffs geht in den tiefen Ozean", sagt Andreas Oschlies.

Frühere Modellrechnungen haben den Stickstoffkreislauf oft vernachlässigt. „Deshalb waren die Ergebnisse beim Sauerstoffbudget nie ganz befriedigend. Das können wir jetzt auflösen", sagt Professor Oschlies.

Allerdings ergibt sich ein neues Problem: Die anoxischen Phasen, die es in der Erdgeschichte in warmen Klimazuständen gegeben hat, sind mit den neuen Erkenntnissen noch schwerer zu erklären. Es gibt offenbar Faktoren und Rückkopplungsprozesse in dem komplexen Wechselspiel von biologischen, physikalischen und chemischen Prozessen im Ozean, die noch nicht ganz verstanden sind. „Deshalb ist die Studie auch für die Gegenwart wichtig. Sie zeigt Lücken in unserem Wissen über zentrale Prozesse im Ozean, die auch für aktuelle Veränderungen relevant sein können", fasst Andreas Oschlies die Bedeutung der Studie zusammen.

Originalarbeit:
Oschlies, A., W. Koeve, A. Landolfi, P. Kähler (2019): Loss of fixed nitrogen causes net oxygen gain in a warmer future ocean. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-019-10813-w

Bitte beachten Sie:
Diese Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 754 „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean" finanziert.

Links:
https://www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
www.sfb754.de Der Sonderforschungsbereich 754

Kontakt:

Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811
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