08. September 2019 Europas ältester See zeichnet 1,4 Millionen Jahre mediterranes Klima auf

Auf einer Plattform installierten die Forschenden spezielle Bohrgeräte, mit denen sich Sedimente bis in eine Tiefe von 568 Metern gewinnen ließen. Foto: Katja Lindhorst, Uni Kiel

Kieler Geophysiker an erfolgreicher Tiefseebohrung im Ohrid-See beteiligt

Der Ohrid-See an der Grenze zwischen den Republiken Nordmazedonien und Albanien ist der älteste See Europas und beherbergt ein einzigartiges Ökosystem mit einer reichen Artenvielfalt. Mehr als 300 Tier- und Pflanzenarten, die nirgendwo sonst auf der Erde vorkommen, sind hier zu Hause. Damit gehört der See, dessen Wasser sich aus mehreren Quellen und nicht aus Flüssen speist, zu den wichtigsten Klimaarchiven in Mitteleuropa. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Köln und mit Beteiligung von Kieler Meeresforschenden des Instituts für Geowissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat nun in der Fachzeitschrift Nature die Ergebnisse einer der erfolgreichsten Seebohrungsprojekte veröffentlicht.

 

Das wissenschaftliche Projekt zielte darauf ab, neue Erkenntnisse über das Alter und die Herkunft des Sees, die Klimageschichte des nördlichen Mittelmeerraums und die Gründe für den hohen Grad an Biodiversität zu gewinnen. Das Wissenschaftsteam hat nun bekannt gegeben, dass der See vor 1,36 Millionen Jahren entstanden ist und seitdem kontinuierlich existiert. Die erbohrte Sedimentabfolge hat es den Forschenden ermöglicht, das Klima über die gesamte Geschichte des Sees im Detail zu rekonstruieren. Geochemische und Pollendaten zeigen, dass die Winterregenfälle im nördlichen Mittelmeerraum während warmer, interglazialer Perioden zugenommen haben. Während dieser Zeiträume zeigen Klimamodellsimulationen eine verstärkte Tiefdruckbildung über dem westlichen Mittelmeer, insbesondere im Herbst. Die verstärkte Tiefdruckbildung ist wahrscheinlich auf warme Meeresoberflächentemperaturen zurückzuführen, die zu deutlich höheren Niederschlägen in den nördlichen Mittelmeerregionen führten. Ähnliche Effekte könnten sich aus der jüngsten vom Menschen verursachten Klimaerwärmung ergeben. Da die Klimavorhersagen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ein inkonsistentes Bild des zukünftigen Klimawandels für diese Region zeigen, werden die neuen Ergebnisse aus dem Ohridsee dazu beitragen, zukünftige Klimaszenarien besser einzugrenzen.

Zur Durchführung eines solchen Projektes wird ein langer Atem benötigt. Bereits in den Jahren 2007 und 2008 wurden unter Leitung von Professor Sebastian Krastel vom Institut für Geowissenschaften an der Uni Kiel seismische Voruntersuchungen durchgeführt, um mögliche Bohrlokationen zu bestimmen. Dazu wurde Ausrüstung, die üblicherweise auf großen Forschungsschiffen eingesetzt wird, minimiert, um sie auf den kleinen verfügbaren Booten auf dem Ohrid-See einzusetzen. Auf diesen Arbeiten aufbauend wurde dann im Jahr 2013 eine der erfolgreichsten Bohrkampagnen des International Continental Scientific Drilling Program (ICDP) durchgeführt. Die Bohrung erreichte eine maximale Bohrtiefe von 568 Metern bei einer Wassertiefe von 245 Metern. Es dauerte fünf Jahre, bis die gewonnenen Sedimentkerne vollständig mit vielen unabhängigen Techniken analysiert wurden, um ein fundiertes Verständnis der vergangenen Klima- und Umweltveränderungen zu erhalten.

Finanziell unterstützt wurde das ICDP-Bohrprogramm im Ohrid See von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Universität zu Köln und anderen internationalen Geldgebern. Die wissenschaftliche Koordination des ICDP Schwerpunktprogramms der DFG ist zurzeit an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) angesiedelt.

Originalpublikation
Bernd Wagner, Hendrik Vogel, [...] Xiaosen Zhang: Mediterranean winter rainfall in phase with African monsoons during the past 1.36 million years; Nature (2019) Published: 02 September 2019, https://doi.org/10.1038/s41586-019-1529-0
https://www.nature.com/articles/s41586-019-1529-0
Beteiligte Wissenschaftler an der CAU: Sebastian Krastel, Katja Lindhorst

Links
www.marinegeophysik.ifg.uni-kiel.de/de/projekte/ohridsee (ausführliche Informationen über das Projekt und die Arbeiten an der CAU)
www.icdp.ifg.uni-kiel.de (über das deutsche Büro des International Continental Scientific Drilling Program/ICDP)
www.kms.uni-kiel.de (über den marinen Schwerpunkt an der CAU)

 

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Sebastian Krastel
Institut für Geowissenschaften, Marine Geophysik und Hydrakustik
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
sebastian.krastel@ifg.uni-kiel.de