01. Dezember 2021 Klimaveränderungen und Überfischung dezimierten Ostseehering lange vor der Industrialisierung

Historische Szene auf einer schwedischen Briefmarke. Das Fangpotenzial der Fischereiflotten in der frühen Neuzeit stand jenem der heutigen Fischerei in kaum etwas nach. Bild: rook76 – stock.adobe.com

Historische Quellen zeigen, dass die Überfischung des Ostseeherings schon vor rund 500 Jahren begann und bis heute nachwirkt

Der Zusammenbruch der Sundfischerei in der westlichen Ostsee Ende des 16. Jahrhunderts war die Folge von Überfischung und einer rapiden Veränderung des Klimas – ähnliche Bedingungen wie sie auch heute vorherrschen. Ein Team aus Historikern sowie Fischereiökonomen und Biologen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig hat die Entwicklung der Heringsfischerei in der Ostsee zwischen 1200 und 1650 rekonstruiert.

 

Demnach kollabierte die damals wichtigste Fischerei auf den herbstlaichenden Hering in den 1580er Jahren innerhalb kürzester Zeit, ohne sich bis heute erholen zu können. Die Forscher erkennen darin Parallelen zur aktuellen Entwicklung kommerziell genutzter Fischbestände in der westlichen Ostsee. Die Studie, für die sie verschiedene historische Quellen ausgewertet haben, ist in der Fachzeitschrift Hansische Geschichtsblätter erschienen.

Mehr als ein Drittel der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände gilt als überfischt oder von Überfischung bedroht. Für Deutschland meldeten erst diesen Sommer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter auch der Universitäten Hamburg, Kiel und Leipzig, dass der Dorschbestand, in der westlichen Ostsee einen Kipppunkt erreicht hat, dessen Überschreitung vermutlich kaum rückgängig zu machen sein wird. Beim Dorsch spielt der Klimawandel nachweislich eine entscheidende Rolle. Mit den steigenden Temperaturen sinkt seine Fortpflanzungsfähigkeit. Und auch der Hering in der westlichen Ostsee hat so niedrige Bestände, dass derzeit eine anhaltende Befischung aus Expertensicht weder lukrativ noch nachhaltig möglich ist.

In einer neuen Untersuchung konnten die Forscher anhand historischer Quellen wie etwa Zollbücher der Hansestadt Lübeck und anderer Städte zeigen, dass das Zusammenspiel aus negativen Umwelteinflüssen und Überfischung bereits in der frühen Neuzeit den Heringsbestand in der westlichen Ostsee dezimiert hatte. Mitte des 16. Jahrhunderts sanken die Durchschnittstemperaturen der Ostsee insgesamt um 0,85 Grad Celsius. Als Folge verringerte sich die Produktivität der Heringsbestände, da die Jungfische nicht überlebten. Der herbstlaichende Hering, die bis dahin dominierende Heringsunterart in der westlichen Ostsee, verschwand fast vollständig und mit ihm die dortige Heringsfischerei.