Im Rahmen der Studie, die bis Ende Juni im Raunefjord bei Bergen (Norwegen) stattfindet, bringen die Forscher außerdem die im Labor an Ozeanversauerung angepasste Kalkalge Emiliania huxleyi zurück in ihren natürlichen Lebensraum. Sie hoffen, die Übertragbarkeit ihrer Laborergebnisse zur Anpassungsfähigkeit der weltweit wichtigsten einzelligen Kalkalge überprüfen zu können.
Vom winzigen Piko-Phytoplankton bis hin zu Fischen und größeren Meereslebewesen: Eine komplexe Lebensgemeinschaft mit all ihren Wechselbeziehungen und globalen Funktionen kann aus dem Gleichgewicht geraten, wenn der Ozean durch die Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre zunehmend versauert. Während die chemischen Reaktionen im Meerwasser mittlerweile gut verstanden sind, drängen sich wichtige neue Fragen über ihre Folgen für das marine Ökosystem sowie daraus erwachsende wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen auf.
Um diesen Fragen nachzugehen, ist ein Team des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt erneut im Raunefjord bei Bergen (Norwegen) im Einsatz. Mit Hilfe der KOSMOS Mesokosmen (KOSMOS: Kiel Off-Shore Mesocosms for Future Ocean Simulations) betrachten sie einen wichtigen Ausschnitt des Ökosystems: Die acht im Fjord schwimmenden Versuchsanlagen schließen in ihren 20 Meter langen Kunststoffsäcken die natürliche Plankton-Gemeinschaft ein. Vier der isolierten Lebewelten werden schrittweise auf ein erhöhtes Kohlendioxid-Niveau gebracht. Bis Ende Juni sammeln und analysieren die Wissenschaftler dann beinahe täglich Wasserproben, messen physikalische und chemische Parameter und dokumentieren die Entwicklung der Plankton-Gemeinschaft. „Aus rund 50 verschiedenen Messparametern können wir ein umfassendes Bild zusammensetzen“, erklärt Prof. Dr. Ulf Riebesell, Professor für Biologische Ozeanografie am GEOMAR und Leiter der KOSMOS-Experimente. „Mit der aktuellen Studie spannen wir den Bogen von den Organismen zum Nahrungsnetz und den dadurch getriebenen Stoffumsätzen und von den kurzzeitigen Reaktionen bis zur evolutionären Anpassung.“
Erstmals werden im Labor an saurere Bedingungen angepasste Algen der Art Emiliania huxleyi, der weltweit wichtigsten einzelligen Kalkalge, in die Mesokosmen eingebracht. Der Einzeller spielt eine wichtige Rolle für den Transport von Kohlenstoff in die Tiefe des Ozeans – und damit für dessen Fähigkeit, Kohlendioxid zu speichern und den Klimawandel abzumildern. Außerdem setzen die Kalkalgen das klimakühlende Gas Dimethylsulfid (DMS) frei. „In Laborexperimenten mit dieser Art konnten wir zeigen, dass Emiliania huxleyi in der Lage ist, sich durch Evolution gleichzeitig an Ozeanversauerung und steigende Wassertemperaturen anzupassen“, berichtet Dr. Kai Lohbeck vom GEOMAR.
Eine vorangegangene KOSMOS-Studie im Raunefjord brachte die allerdings überraschende Erkenntnis, dass Emiliania huxleyi unter natürlichen Bedingungen bei Ozeanversauerung die Fähigkeit verliert, sich im Nahrungsnetz zu behaupten. „Ob sich die im Labor erworbene Anpassung auch unter natürlichen Bedingungen als Konkurrenzvorteil erweist und die Kalkalge den Fortbestand in einem saurer werdenden Ozean sichern kann, wollen wir in diesem Freilandexperiment untersuchen.“
Um der kommenden Generation junger Wissenschaftler eine besonders praxisorientierte Ausbildung zu ermöglichen, wurden im Rahmen der Studie fünf Masterarbeiten ausgeschrieben. Die Absolventen untersuchen mit Hilfe erfahrenerer Forscher, wie sich Flügelschnecken und Heringslarven unter den veränderten Umweltbedingungen entwickeln, ob sich das Piko-Phytoplankton durch Evolution an die Versauerung anpasst und wie sich die Qualität der Nahrung für höhere Ebenen der Lebensgemeinschaft verändert. Außerdem sind 15 Studierende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) in die Arbeiten auf der Meeresbiologischen Station „Espeland“ der Universität Bergen eingebunden. „Der disziplin- und themenübergreifende Ansatz der KOSMOS-Studien bietet den Studenten die einzigartige Möglichkeit, ihre eigenen Untersuchungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen und die Ergebnisse besser zu verstehen“, so Riebesell. „Die Arbeit im Team und das enge Zusammenleben auf der Forschungsstation machen zudem den besonderen Reiz dieser Studien aus.“
Die Teilnehmer berichten in einem Blog im Portal der Kieler Meereswissenschaften, Oceanblogs.org, über ihre Arbeiten in Norwegen.
Link:
Blog zum „KOSMOS 2015“-Experiment
Kontakt:
Maike Nicolai (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2807, presse@geomar.de
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