Egal ob an den Küsten der Antarktis oder auf den Sedimenten der Tiefsee – es gibt mittlerweile kaum noch einen Ort auf der Erde, an dem kein Plastikmüll zu finden ist. Doch wie lange Kunststoffe in den Meeren verbleiben, bis sie abgebaut sind, ist bislang kaum untersucht. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ hat jetzt die Veränderungen von handelsüblichen Polyethylen-Tüten mit denen von sogenannten kompostierbaren Plastiktüten in zwei für den Meeresboden typischen chemischen Umgebungen untersucht. Wie das Team in der internationalen Fachzeitschrift Marine Pollution Bulletin schreibt, haben Bakterien die kompostierbaren Tüten zwar deutlich schneller besiedelt. „Ein Abbau oder auch nur eine Veränderung des Materials war bei beiden Tüten nach hundert Tagen aber nicht feststellbar“, sagt Alice Nauendorf, Erstautorin der Studie.
Für die Untersuchungen hat das Team Sedimentproben aus der Eckernförder Bucht in der westlichen Ostsee genutzt. „In den oberen Schichten dieser Sedimentproben war noch Sauerstoff vorhanden, in den unteren nicht. Das ist typisch für Meeresböden weltweit“, erklärt die Meeresbiologin Nauendorf und ergänzt: „Diese Schichten unterscheiden sich auch in den Bakterienarten, die dort leben.“
In einem Laborexperiment wurden die beiden Tütensorten in jeweils sauerstoffhaltigem und sauerstoffarmen Sediment für rund hundert Tage eingelagert. Die sogenannte kompostierbare Tüte bestand nach Herstellerangaben aus biologisch abbaubarem Polyester, aus Maisstärke sowie aus nicht näher bezeichneten Inhaltsstoffen.
Anschließend nutzte das Team eine ganze Reihe von Analysemethoden wie hochpräzisen Gewichtsmessungen, die Fluoreszenzmikroskopie oder auch Rasterelektronenmikroskop-Untersuchungen, um mögliche Veränderungen des Materials nachzuweisen. „Wir konnten deutlich sehen, dass die kompostierbaren Tüten stärker mit Bakterien besiedelt waren – in den sauerstoffhaltigen Schichten fünfmal stärker, in den sauerstofffreien Schichten sogar achtmal stärker als die Polyethylen-Tüte“, sagt Nauendorf.
Gleichzeitig zeigten die Untersuchungen aber auch, dass sich das Material beider Tüten in den Hundert Tagen des Versuchs nicht verändert hat. „Es gab weder eine Gewichtsabnahme noch chemische Veränderungen. Demnach hat also kein Abbau stattgefunden“, betont Prof. Dr. Tina Treude, Hauptautorin der Studie, die mittlerweile an der University of California , Los Angeles (UCLA) arbeitet. Der genaue Grund für die unterschiedliche Besiedlung mit Bakterien blieb noch offen. „Wir konnten in der Polyethylen-Tüte einen antibakteriellen Stoff nachweisen. Möglicherweise hat er eine intensivere Besiedlung durch Bakterien unterbunden“, so Nauendorf.
Doch trotz der noch offenen Fragen zeigt der Versuch, dass Plastikabbau in den Sedimenten der Meere – wenn überhaupt – nur sehr langsam vonstattengeht. Auch die Besiedlung mit Bakterien ist offensichtlich keine Garantie für die chemische Umsetzung eines Stoffes. „Die Studie legt die Befürchtung nahe, dass die Sedimente der Meere eine Langzeitdeponie für Plastikmüll werden können. Was das mit den Ökosystemen der Meere macht, müssen zukünftige Studien noch zeigen“, sagt Professorin Treude.
Originalarbeit:
Nauendorf, A., S. Krause, N. Bigalke, E. V. Gorb, S. N. Gorb, M. Haeckel, M. Wahl, T. Treude (2015): Microbial colonization and degradation of polyethylene and biodegradable plastic bags in temperate fine-grained organic-rich marine sediments. Marine Pollution Bulletin, http://dx.doi.org/10.1016/j.marpolbul.2015.12.024
Links:
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