12. Mai 2014 Im fragilen Gleichgewicht



Deutsch-neuseeländisches Forscherteam entdeckt bisher unbekannte Methanvorkommen bei der Untersuchung von instabilen untermeerischen Hängen

Analog zu Erdrutschen im Gebirge formen submarine Hangrutschungen im Ozean die Kontinentalränder und können auch Naturgefahren wie Tsunamis verursachen. Hangrutschungen können vielfältige Ursachen haben und werden weltweit untersucht. Das Seegebiet vor der Ostküste Neuseelands ist dabei besonders bekannt für solche Ereignisse. Hier wurden Rutschungen mit Ausmaßen von bis zu 15 km Länge und 100 Metern Mächtigkeit beobachtet.

 

Auf einer mehrwöchigen Expedition mit dem neuseeländischen Forschungsschiff RV TANGAROA haben deutsche und neuseeländische Wissenschaftler bei der Untersuchung der Hänge nun überraschend große Gashydrat- und Methanvorkommen entdeckt.

Gemeinsame Pressemitteilung des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft" und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel

Ans andere Ende der Welt sind Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel vor rund vier Wochen aufgebrochen, um gemeinsam mit neuseeländischen Kollegen vom National Institute of Water and Atmospheric Research (NIWA) vor der Ostküste Neuseelands die Ursachen für Hangrutschungen zu untersuchen.

Bisher sind die Ursachen für langsame Bewegungen von großen Hängen eher unbekannt. „Wir gehen aber davon aus, dass solche Bewegungen weit verbreitet sind und einen wichtigen Prozess im Rahmen der Gestaltung von Kontinentalrändern darstellen“, sagt Prof. Dr. Sebastian Krastel vom Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. Zur Erforschung dieser Prozesse wird vor allem modernste Meerestechnik eingesetzt, darunter das hochauflösende 3D-Seismik-System P-Cable des GEOMAR. Es kann die einzelnen Schichten des Meeresbodens dreidimensional abbilden und entsprechendes Datenmaterial für die Forschung generieren.

Beim Einsatz dieser 3-D-Seismik ergab sich für die Forscher ein überraschendes Bild. Die Wissenschaftler entdeckten klare Anzeichen von freiem Gas im Sediment sowie Hinweise auf große Methanhydratvorkommen. Das Team identifizierte insgesamt 99 natürliche Gasaustritte auf einer Fläche von 50 km², von denen Gasblasen bis zu 250 m hoch in der Wassersäule aufsteigen. Es ist die vermutlich dichteste Konzentration an Gasöffnungen am Meeresboden rund um Neuseeland. „Das gefundene Gasfeld unterscheidet sich stark von den bisher bekannten Vorkommen“, sagt Fahrtleiter Dr. Joshu Mountjoy vom NIWA in Wellington. „Bisher haben wir solche Austrittsstellen nur in größeren Wassertiefen und in Zusammenhang mit plattentektonischen Prozessen beobachtet.“ Die neuen Fundstellen befinden sich aber in sehr flachem Wasser und am Rand des Kontinentalhangs.

Dank der neuen 3-D Seismik konnte ein genaues Bild von der Zusammensetzung einzelner Schichten am Meeresboden gewonnen werden. „Diese Technik ist die zurzeit beste, um Gasverteilungen, so genannte Fluidsysteme, im Meeresboden abzubilden“, sagt Prof. Dr. Sebastian Krastel vom Institut für Geowissenschaften an der Universität Kiel und Mitglied im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. „Die Fläche, die wir mit der 3D-Seismik untersucht haben, gehört zu den größten, die wir bisher vermessen konnten. Die ersten, vorläufigen Ergebnisse lassen auf optimales Datenmaterial zur Erforschung der Ursachen von Hangrutschungen und der Beschaffenheit von instabilen Hängen schließen.“ Die Ergebnisse sind vor allem deshalb besonders interessant, weil sich bei Temperaturveränderungen im Ozean Methanhydrate auflösen und so Kontinentalhänge destabilisieren könnten.

Die Expedition vor Neuseeland ist Teil des Verbundprojektes SCHLIP (Submarine Clathrate Hydrate Landslide Imaging Project) zwischen Forschenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der Universität Malta und den neuseeländischen Partnern NIWA (National Institute of Water and Atmospheric Research) und GNS Science in Lower Hutt, der University of Auckland sowie der Oregon State University (USA). 

Hintergrundinformationen: P-Cable
Das P-Cable-System wurde entwickelt, um hoch auflösende 3-D Abbildungen der oberen marinen Sedimentschichten von mittelgroßen Forschungsschiffen aus zu ermöglichen. Im Gegensatz zu den meisten kommerziellen Seismik-Systemen zeichnet es sich durch geringe Kosten aus und dadurch, dass es sogar von kleinen Mehrzweck- und Forschungsschiffen aus eingesetzt werden kann. Eine am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel weiterentwickelte Version des Systems ermöglicht eine besonders flexible Anpassung an bestimmte Forschungsfragen und eine leichte Pflege des Systems auch auf See. Weitere Informationen: www.geomar.de/go/p-cable-system

Links:
www.futureocean.org Der Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
www.ifg.uni-kiel.de Das Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Kontakt

Professor Dr. Sebastian Krastel (Institut für Geowissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
skrastel@geophysik.uni-kiel.de

Dr. Jörg Bialas (GEOMAR, FB4-Geodynamik)
jbialas@geomar.de

Friederike Balzereit (Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“), Tel.: 0431-880-3032
fbalzereit@uv.uni-kiel.de

Dr. Andreas Villwock (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2802
avillwock@geomar.de  



Presse-Material


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3D-Seismik des Meeresbodens vor der Ostküste Neuseelands. Deutlich zu erkennen große Ablagerungen von Hangrutschungen, aber auch Gasaustritte und freies Gas im Sediment.
Grafik: Sebastian Krastel, Uni Kiel


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Einsatz des 3D-Seismiksystems "P-Cable" an Bord des neuseeländischen Forschungsschiffs TANGAROA.
Foto: Sebastian Krastel, Uni Kiel


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Das P-Cable-System ist für den Einsatz auf mittelgroßen Schiffen optimiert.
Foto: Sebastian Krastel, Uni Kiel