Geologen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“, des Institute of Marine Sciences (CSIC) in Barcelona (Spanien) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) veröffentlichen jetzt im internationalen Fachjournal Nature Communications eine mögliche Erklärung.
Chile gehört zu den am stärksten von Erdbeben gefährdeten Ländern der Erde. Deshalb war niemand überrascht, als Ende März bis Anfang April 2014 eine Reihe von Erdstößen die Region rund um die nordchilenische Stadt Iquique erschütterten. Das Hauptbeben am 1. April erreichte immerhin eine Momenten-Magnitude von 8,1 und löste einen Tsunami aus. Doch Experten waren überrascht, dass das Beben nicht noch stärker ausfiel und räumlich sehr begrenzt blieb. Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie des Institute of Marine Sciences (CSIC) in Barcelona (Spanien) haben jetzt eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen gefunden. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse in dem internationalen Fachjournal Nature Communications.
Der Grund für die große Erdbebenhäufigkeit in Chile findet sich direkt vor der Küste. Dort schiebt sich die ozeanische Nazca-Platte, eine von mehreren Erdplatten im pazifischen Raum, unter die Südamerikanische Platte. Dabei entstehen Spannungen, die sich früher oder später in Erdstößen entladen. „Im Norden Chiles erstreckt sich allerdings eine etwa 550 Kilometer lange Zone, in der es seit einem starken Erdbeben im Jahr 1877 zu keiner größeren Katastrophe mehr gekommen ist“, erklärt der Erstautor der aktuellen Studie, Dr. Jacob Geersen (GEOMAR/Ozean der Zukunft). „In dieser seismischen Lücke erwarten Experten das nächste große Erdbeben und kurzfristig dachte man, das Beben am 1. April sei dieses erwartete Megabeben. Doch es betraf nur den mittleren Abschnitt der Lücke und blieb deutlich unter der erwarteten Magnitude von bis zu 9,0“, sagt Dr. Geersen.
Um die Ursache für die geringe Stärke des 2014 Iquique-Erdbebens zu verstehen, haben sich Dr. Geersen und seine Kollegen die Topographie des Meeresbodens vor Nordchile sowie seismische Daten, die die Struktur des Untergrundes zeigen, angesehen. Die seismischen Daten hatte die BGR schon 1995 im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Namen „Crustal Investigations off- and on-shore Nazca/Central Andes (CINCA)“ gesammelt. „Dabei zeigte sich, dass der Meeresboden auf der Nazca Platte in der betroffenen Region nicht eben ist, sondern dass dort zahlreiche, teilweise mehrere tausend Meter hohe erloschene Vulkankegel stehen“, beschreibt Co-Autor César R. Ranero, ICREA Research Professor am Institut of Marine Sciences (CSIC) in Barcelona, die Situation.
Diese „Seamounts“ genannten Unterwasserberge werden zusammen mit der Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte geschoben. „In den seismischen Daten können wir deutlich mehrere ehemalige Seamounts erkennen, die jetzt an der Grenzfläche zwischen beiden Platten liegen und die diese Grenzfläche sowie die darüber liegende Südamerikanische Platte deformieren“, sagt Dr. Geersen. Die bei dieser Deformierung entstandenen Störungen sorgen dafür, dass sich weniger Spannung aufbauen kann. „Außerdem haben die Seamounts die räumliche Ausbreitung des Bruchs, der bei dem Iquique-Beben entstand, wahrscheinlich aufgehalten“, so Dr. Geersen.
Die Gefahr eines Megabebens in der seismischen Lücke vor Nordchile ist damit nicht komplett gebannt. „Ein Teil der aufgestauten Spannung hat sich aufgrund des 2014 Iquique Bebens allerdings schon abgebaut. Aber Berechnungen ergeben im nördlichen und südlichen Teil der seismischen Lücke zusammen immer noch das Potenzial für ein Beben mit einer Magnitude größer als 8,5“, sagt der Kieler Geologe. Deshalb beobachten Wissenschaftler aus der ganzen Welt die Region weiter sehr aufmerksam. Ende 2015 wird auch ein Team des GEOMAR mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE vor der Küste Chiles im Einsatz sein, um hochpräzise Vermessungseinrichtungen am Meeresboden zu platzieren, die auch kleine Bewegungen des Untergrundes registrieren. „Wir können Erdbeben weder verhindern noch genau vorhersagen. Aber je mehr wir über sie lernen, desto besser kann man Risiken einschätzen und entsprechende Vorkehrungen treffen“, resümiert Dr. Geersen.
Originalarbeit:
Geersen, J., C. R. Ranero, U. Barckhausen, C. Reichert (2015): Subducting seamounts control interplate coupling and seismic rupture in the 2014 Iquique earthquake area. Nature Communications, https://dx.doi.org/10.1038/ncomms9267
Links:
www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
www.ozean-der-zukunft.de Der Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
Bildmaterial:
Unter www.geomar.de/n3993 steht Bildmaterial zum Download bereit.
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Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, presse@geomar.de
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