27. März 2017 Von der Bottnischen See bis ins Kattegat – Der Klimageschichte der Ostsee auf der Spur



Internationale Expedition mit dem Forschungsschiff Maria S. Merian geht in Kiel zu Ende

Mehr als zwei Wochen lang waren Meeresforscherinnen und Meeresforscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) mit Kolleginnen und Kollegen aus Dänemark, Polen, Schweden und Kanada auf dem deutschen Eisrandforschungsschiff Maria S. Merian der Klimageschichte der Ostsee auf der Spur.

 

Ziel der Expedition unter Fahrtleitung der Universität Kiel ist die Rekonstruktion der Klimaschwankungen in der Ostsee seit dem Beginn der heutigen Warmzeit vor etwa 12.000 Jahren. Neben umfassenden hydroakustischen Vermessungen des Meeresbodens zogen die Forscherinnen und Forscher bei besten Forschungsbedingungen insgesamt mehr als 40 Sedimentkerne aus der westlichen und zentralen Ostsee und neun Eiskerne aus dem Meereis des nördlichsten Ostseebeckens, dem Botten Wiek zwischen Finnland und Schweden. Dazu kamen umfangreiche Beprobungen der Wassersäule an nahezu allen Stationen. Die Expedition MSM/62 ging am 27. März in Kiel zu Ende.

Aus den während der Expedition gewonnen Daten der Sedimente und Proben der Wassersäule erhofft sich das internationale Forscherteam Aufschluss über die Veränderungen in der Ostsee seit der letzten Eiszeit, über die Entwicklung der Ostsee durch den anthropogenen Klimawandel und die Veränderung des Meeresspiegelanstiegs. Weitere Ziele der Expedition sind genauere Erkenntnisse über die Durchmischung der Wassersäule mit Sauerstoff sowohl am Eisrand im nördlichen Ostseebecken durch das winterliche Meereis als auch in den westlichen und zentralen Gebieten. Hier durchlüften vor allem in den Wintermonaten starke Westwinde die Ostsee und sorgen für die Zufuhr von salz- und sauerstoffhaltigem Wasser.

Die Route der Maria S. Merian führte zunächst in Richtung Norden in die noch fast geschlossene Eisdecke der bottnischen Wiek zwischen Finnland und Schweden. In diesem Gebiet ist die sonst eher sauerstoffarme Ostsee gut belüftet und besonders reich an Sauerstoff. Erst zum zweiten Mal seit ihrem Stapellauf im Jahr 2005 brachte die Maria S. Merian Forscherinnen und Forscher ins winterliche Ostseeeis. „Das war schon ein besonderes Erlebnis für uns alle an Bord. Wir konnten die Fähigkeiten der Maria S. Merian, die für Eisstärken bis 60 cm gut ausgerüstet ist, voll ausschöpfen und unser gesamtes geplantes Forschungsprogramm absolvieren," sagt Fahrtleiter Prof. Dr. Ralph Schneider vom Institut für Geowissenschaften an der Universität Kiel.

Im Eis führte das Wissenschaftlerteam zahlreiche Messungen und Bohrungen durch. Ozeanographen und Geologen des IOW in Rostock konnten auf der noch festen Eisdecke neun bis zu 40 cm mächtige Eiskerne gewinnen und durch die Bohrlöcher Messungen bis in 100 Metern Wassertiefe durchführen. „Wir vermuten, dass die Eisbildung im Winter einen wesentlichen Einfluss auf die Belüftung des Tiefenwassers hat," sagt Dr. Thomas Neumann, Ozeanograph am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW). Die Ergebnisse aus den Daten sollen im Nachgang helfen, den Prozess der winterlichen Durchlüftung der nördlichen Ostsee besser zu verstehen.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Kiel und teilweise Wechsel der wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer ging die Expedition weiter in die westliche Ostsee. In Kooperation mit Kollegen vom Geological Survey of Denmark und Greenland in Kopenhagen und Aarhus (GEUS) standen hier umfangreiche hydroakustische Vermessungen des Meeresbodens als Voraussetzung für spätere Beprobungen der Sedimente zwischen dem großen Belt und Kattegat im Vordergrund. Zum Einsatz kam besonders der Kieler Vibrocorer, ein Forschungsgerät, das sechs Meter in den sandigen Meeresboden eindringen kann und Sedimentkerne zieht. Im Fall der westlichen Ostsee erschließen sich so die seit der letzten Eiszeit abgelagerten Sedimente in einem einzigen Bohrkern und ermöglichen neue Einblicke in die Geschichte der Ostsee. Vor rund 12.000 Jahren hatten sich die eiszeitlichen Gletscher aus dem westlichen Teil der Ostsee langsam zurückgezogen. Seitdem durchlief das Binnenmeer viele unterschiedliche Entwicklungsstadien bis sich ihr heutiges Bild geformt hatte. „Einige Gebiete haben sich aus größeren Seen mit einer Vielzahl an Inselgruppen mit steigendem Meeresspiegel über Brackwasser bis zum offenen Meer entwickelt. Uns interessiert der Einfluss des globalen Meeresspiegelanstiegs und die Hebung der Landmasse nach dem Schmelzen der Gletscher. Diese Faktoren haben die Entwicklung der nördlichen Ostsee sehr geprägt," sagt Niels Nörgaard-Pedersen vom geologischen Dienst in Aarhus. Die erste Sichtung der Sedimentkerne, die auf der aktuellen Reise gezogen wurden, zeigen bereits deutliche Übergänge von ehemaligen Eisrandseen über Küstenzonen zu voll marinen Bedingungen. Durch eine engere Kooperation zwischen der Universität Kiel und dem geologischen Dienst in Aarhus soll zukünftig die Klimageschichte der Ostsee auch über die Ländergrenzen hinaus erforscht werden.

Am heutigen Montag (27. März) verlässt die Maria S. Merian Kiel in Richtung Emden für einen routinemäßigen Werftaufenhalt. Im Anschluss werden die Forschungsfahrten im Nordatlantik fortgesetzt.

Links
www.maria-s-merian.de
www.kms.uni-kiel.de
www.geus.dk
www.io-warnemuende.de

Kontakt

Friederike Balzereit, Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster „Future Ocean", Telefon: 0431-880-3032
fbalzereit@uv.uni-kiel.de

Professor Ralph Schneider, Institut für Geowissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
schneider@gpi.uni-kiel.de

 



Presse-Material


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Erst zum zweiten Mal seit mehr als zehn Jahren brachte die Maria S. Merian Forschende an den Eisrand der nördlichen Ostsee in der bottnischen See.
Foto: Sören Janssen, Briese Research


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Bis zu sechs Meter lange Sedimentkerne zieht der Vibrocorer aus dem sandigen Meeresboden. Die Kerne geben Aufschluss über mehr als 12.000 Jahre Geschichte der Ostsee.
Foto: Friederike Balzereit, Future Ocean


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Mit dem Multicorer können gleichzeitig bis zu zwölf Sedimentproben aus dem Meeresboden gewonnen werden.
Foto: Friederike Balzereit, Future Ocean